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Luther und der Buchdruck: Die Bibel in deutscher Sprache
Im heutigen Buchhandel finden wir eine Vielzahl an Bibelübersetzungen in deutscher Sprache – ein Luxus, der uns selbstverständlich erscheint. Doch das ist er keineswegs. Noch heute ist in nur 740 der weltweit 7.000 Sprachen und Dialekte eine vollständige Bibelübersetzung vorhanden. Und auch bei uns in Deutschland gab es eine Zeit, in der die Bibel dem einfachen Volk vorenthalten war – und mit Martin Luther einen Mann, der sich gewaltig daran störte!
Warum wollte Luther die Bibel ins Deutsche übersetzen
Luther verbrachte seine Kindheit, ohne die Bibel selbst lesen zu können. Was er kannte, waren die Lesungen, Gesänge und anderen liturgischen Elemente, denen er jeden Sonntag in der Kirche lauschte. Erst an der Universität kam er mit diesem besonderen Buch in Berührung. Er erlangte die Fähigkeit, darin zu lesen, und verlor sein Herz daran. In den folgenden Jahren im Kloster studierte er die Bibel so intensiv, dass er sie schließlich zu großen Teilen auswendig konnte! Dabei erkannte Luther grundlegende Unterschiede zwischen dem, was im Wort Gottes steht, und der Lehre der katholischen Kirche:
Fortan lehnte Luther erstens die Autorität der Kirche und des Papstes zu Gunsten der Heiligen Schrift ab. Zweitens kam er zu der Überzeugung, dass der Mensch allein aus Glauben und nicht durch gute Werke oder kirchliche Rituale vor Gott gerechtfertigt werden kann. Drittens kritisierte er den Verkauf sogenannter Ablassbriefe, durch die die Gläubigen angeblich Sündenvergebung erlangen konnten und durch die die Kirche sich selbst bereicherte. Diesen Erkenntnissen folgte eine weitere Überzeugung:
Jeder muss es wissen – jeder muss in die Lage versetzt werden, die Bibel selbst zu lesen! Doch warum war dies bisher nicht der Fall? Wieso konnten die Menschen die Bibel nicht einfach so lesen?
Im Original waren die Schriften der Bibel in Hebräisch, Aramäisch und Griechisch verfasst worden. Zwar wurden zur Zeit Luthers bereits Übersetzungen in den Gottesdiensten verwendet – jedoch auf Latein. Doch welcher Bauer war des Lateinischen mächtig? Den meisten Gläubigen blieb deshalb nichts anderes, als darauf zu vertrauen, dass das, was die Kirche lehrte, der Wahrheit entspricht. Die vermittelte Lehre anhand der Bibel auf Richtigkeit überprüfen konnten sie nicht.
Dadurch war die Kirche in einer komfortablen Machtposition, durch die sie hohe Ablasszahlungen provozieren konnte. Im Gegenzug versprach sie den Zahlenden und ihren Angehörigen das Seelenheil. Im Zentrum standen also nicht die Vergebung der Sünde durch den Glauben und eine persönliche Beziehung zu Jesus Christus. Der Fokus lag vielmehr auf guten Werken, Beichte, Gehorsam gegenüber dem Papst und der Zugehörigkeit zur katholischen Kirche.
Luther, der ursprünglich nicht die Gründung einer neuen Kirche bzw. Konfession anstrebte, wollte die katholische Kirche von innen heraus reformieren und erneuern. Deshalb schlug er nicht nur seine 95 Thesen an das Portal der Wittenberger Schlosskirche. Er setzte alles daran, die Bibel in die deutsche Sprache zu übersetzen, um sie jedem Bürger zugänglich machen zu können.
Ein Vorhaben, das den offiziellen Vertretern der Kirche selbstverständlich gar nicht gefiel. Sie sahen in einer frei zugänglichen Bibelübersetzung eine ernste Bedrohung ihrer Autorität. Entsprechend drastisch fielen Strafen aus, wenn sich Menschen für die Übersetzung und Verbreitung der Bibel einsetzten.1199 wurden beispielsweis in Lyon einige Waldenser auf dem Scheiterhaufen für ein solches Vorhaben verbrannt.
Zur Zeit Luthers gab es daher nur einige wenige Übersetzungen, wie etwa die Augsburger Pergamenthandschrift des Neuen Testaments von 1350. Sie waren jedoch unvollständig, schwer verständlich and kaum verbreitet. Wie auch, wenn jede einzelne Buchseite mühsam von Hand geschrieben oder teuer als Druckplatte hergestellt werden musste?
Denn dass Luthers Bibelübersetzung verbreitet und bekannt werden konnte, ist nicht nur Luther selbst zu verdanken. Die Entwicklung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg war eine wesentliche Voraussetzung dafür.
Warum war die Verbreitung der deutschen Bibel ohne Gutenbergs Buchdruck undenkbar?
„Gutenberg hat den Buchdruck erfunden“, ist ein altbekannter Satz – doch ist er so nicht ganz richtig. Schon vor Gutenberg gab es verschiedene Druckverfahren, die hauptsächlich im frühmittelalterlichen China entwickelt worden waren.
Bereits zu Beginn der Tang-Dynastie, im 7. Jahrhundert, wurde die Verbreitung religiöser Texte zum Gegenstand technischer Innovationsbemühungen. Erste Erfolge hinsichtlich der maschinellen Vervielfältigung stellten unterschiedliche Druckplatten dar. Typisch war vor allem der Holzblockdruck, bei dem aus einem Holzblock das Relief einer Textseite herausgeschnitzt wurde. Diese Druckplatte fungierte dann als Stempel. Obwohl diese Art des Druckens schneller vonstattenging als die Abschrift per Hand, gab es immer noch großen Verbesserungsbedarf: Bei Fehlern und neuen Werken musste beispielsweise eine komplett neue Platte angefertigt werden, was sowohl zeit- als auch arbeitsintensiv war. Die Lagerung der großen Holzblöcke war ebenfalls unpraktisch.
Etwa im 11. Jahrhundert kam der Druck mit flexiblen Tonlettern auf. Dieser hatte den Vorteil, dass die einzelnen Zeichen wiederverwendet und neu angeordnet werden konnten, auch die Materialkosten sanken. Allerdings waren die Tonlettern deutlich zerbrechlicher und nicht so lange haltbar wie die zuvor verwendeten Holzblöcke.
Zweihundert Jahre vor Gutenberg begannen die chinesischen Buchdrucker Metall statt Ton zu verwenden, um die sogenannten Lettern herzustellen. Die Haltbarkeit erhöhte sich dadurch immens. Zudem gelang eine gleichmäßigere Herstellung der Lettern, die der Präzision des Drucks zugutekam. Allerdings stiegen damit auch die Kosten.
Die verschiedenen Drucktechniken von Gutenbergs Vorreitern erleichterten den Herstellungsprozess von Schriften zwar bis zu einem gewissen Grad. Doch der damit verbundene finanzielle und zeitliche Aufwand verhinderte die Massenproduktion von Literatur und Lehrtexten. Außerdem konnten sich die chinesischen Techniken schon allein aufgrund der geographischen und kulturellen Distanz in Europa nicht durchsetzen.
Vor der Entwicklung des Buchdrucks durch Gutenberg wurden Bücher deshalb zum großen Teil mühsam von Hand abgeschrieben – in der Regel von Mönchen. Dabei wurde vor allem die Bibel als Wort Gottes in Ehren gehalten. Das Abschreiben der Texte wurde sehr ernst genommen. Seiten mit Fehlern wurden etwa nicht ausgebessert, sondern mühevoll komplett neu geschrieben. An den Rändern und Kapitelanfängen wurden kunstvolle farbige Verzierungen ergänzt. In die Vervielfältigung der Bibel flossen somit viel Zeit und Mühe – für normale Bürger unbezahlbar. Bücher, und ganz besonders die Bibel, waren dem reichen Adel, Klöstern und Universitäten vorbehalten. Erst um das Jahr 1450 revolutionierte dann Gutenbergs entwickeltes Druckverfahren nach und nach die Verbreitung von Büchern.
Was machte Gutenbergs Erfindung so genial?
Ein Unterschied zum chinesischen Buchdruck bestand beispielsweise im verwendeten Material. Als gelernter Goldschmied experimentierte Gutenberg mit verschiedenen Metalllegierungen. So entwickelte er eine Mischung aus Blei, Zinn und Antimon, die deutlich haltbarer war als das chinesische Pendant. Außerdem führte Gutenbergs Legierung zu einer höheren Qualität der Druckerzeugnisse.
Auch die von Gutenberg verwendete Tinte stellte eine Neuerung dar. Waren bisher vor allem wasserbasierte Farben im Einsatz, setzte Gutenberg nun ölbasierte Tinte ein, die er selbst entwickelt hatte. Dies führte zu deutlich besseren Ergebnissen, da die Farbe besser an den Metalllettern haftete und so beim Druck weniger verschmierte.
Auch das zu bedruckende Material wählte Gutenberg sorgfältig aus: Er verglich verschiedene Papiere und Pergamente, um beste Druckergebnisse zu erhalten. Denn: Das Papier musste robust genug sein, um den Druckprozess ohne Schäden zu überstehen, und gleichzeitig dünn genug, damit es sich beim Binden des Buches gut verarbeiten ließ.
Doch erst Gutenbergs Erfindung der Druckerpresse beschleunigte den Prozess erheblich und senkte somit auch die Kosten. Dabei wurden die Lettern in einen Metallrahmen gesteckt und stabilisiert. Gutenbergs Druckerpresse übte überall auf der Seite gleich viel Druck aus, sodass genügend Farbe auf das Papier gelangte und ein gleichmäßiges Druckbild entstand.
Durch Gutenbergs Erfindungen bzw. Verbesserungen wurde der Druckprozess also schneller, billiger und hochwertiger. So machte er die Massenproduktion von Büchern möglich. Dabei revolutionierte Gutenberg nicht nur den Buchdruck, sondern letztlich die Welt, denn: Mit den Büchern wurde dem einfachen Volk Bildung zugänglich gemacht. Darüber hinaus verbreiteten sich Ideen (wie etwa jene, die zur Reformation führten) wie ein Lauffeuer, und der Austausch wissenschaftlicher Ergebnisse wurde erleichtert. Außerdem förderte der Druck die Standardisierung der Sprache sowie die Entstehung einer Lesekultur. Und schließlich ermöglichte er die Verbreitung der wichtigsten Botschaft der Welt im ganzen deutschsprachigen Raum: dass Gott uns Menschen in seiner Gnade begegnet und ein neues Leben schenken möchte.
Aber wie kam es nun zur Übersetzung der Bibel, da diese doch verboten war?
Luthers Bibel: Ein Bestseller dank des Buchdrucks
Dass Martin Luther einen Hang dazu hatte, sich den Anweisungen der Kirche zu widersetzen, zeigte sich nicht nur in den 95 Thesen, die er 1517 in Wittenberg an den Türen der Schlosskirche anschlug. Es wurde vier Jahre später ein weiteres Mal deutlich, als er sich weigerte, diese Thesen vor dem Reichstag zu widerrufen. Als Konsequenz dessen wurde er für vogelfrei erklärt und stand somit auf der reichsweiten Abschussliste. Zuflucht fand er unter dem Decknamen „Junker Jörg“ auf der Wartburg bei Eisenach – wo er prompt gegen ein weiteres Verbot der Kirche verstieß und anfing, das Neue Testament ins Deutsche zu übersetzen.
Bereits ein Vierteljahr später, im März 1522, war die Übersetzung abgeschlossen – und ging in den Druck! Dieser war innerhalb weniger Wochen abgeschlossen. Im Vergleich zu heute erscheint das wenig beeindruckend. Doch zur damaligen Zeit war das absolut revolutionär – hatte sich doch die handschriftliche Vervielfältigung eines solchen Textes bis dahin vermutlich über mehrere Monate, wenn nicht sogar Jahre, hingezogen. Das deutsche Neue Testament wurde jedenfalls ein wahrer Bestseller: Schon nach nur drei Jahren hatten 128.000 Exemplare einen glücklichen Abnehmer gefunden. Bis heute wird das Buch öffentlich und ständig gelesen. Manch einer lernt es sogar wie Luther auswendig.
Doch das ist noch nicht das Ende der Geschichte: Zum einen verbesserte Luther beständig sein bestehendes Werk, um die wortgetreuste Übersetzung, die ihm möglich war, anzubieten. Bis zu seinem Lebensende bearbeitete Luther 17 Auflagen des Neuen Testaments. Zum anderen setzte sich Luther schließlich auch an die Übersetzung des Alten Testaments, zusammen mit den Altphilologen Philipp Melanchton und Matthäus Aurogallus. Die Arbeit daran dauerte aber viel länger als erwartet, oft vergingen mehrere Wochen, bis einzelne Wörter angemessen übersetzt waren. Aber schließlich war es so weit: 1534 erschien die erste vollständige deutsche Bibel in einer anfänglichen Auflagenhöhe von 3.000 Stück! Unvorstellbar, wenn das Gesamtwerk noch immer per Hand hätte abgeschrieben werden müssen. Dank des Buchdrucks war aber nun eine vergleichsweise günstige und schnelle Massenproduktion des Buches möglich. Bis heute sind mehrere hundert Millionen Exemplare der Lutherbibel in verschiedenen Ausgaben und Revisionen gedruckt und verkauft worden!
Eine Revolution der Worte und des Glaubens durch Luther und den Buchdruck!
Der Begriff „Lutherdeutsch“ ist den meisten bekannt und heute steht er für eine alte, verstaubte Sprache, die nicht weiter vom alltäglichen Gebrauch entfernt sein könnte. Doch das ist eine Interpretation der Neuzeit. Vor wenigen Jahrhunderten hatte „Lutherdeutsch“ eine ganz andere Bedeutung:
Luther wollte, dass seine Übersetzung der Bibel, anders als die wenigen bereits existierenden Versionen, wirklich für das ganze Volk verständlich war – deshalb „schaute er den Leuten aufs Maul“ und schrieb so, wie die Menschen um ihn herum tatsächlich redeten. Er orientierte sich also an der Sprache, die in ganz Deutschland verstanden wurde, und schuf damit eine einheitliche Schriftsprache.
Luthers schöpferische Sprachgewalt verlieh der deutschen Sprache mehr Ausdruck, Farbe und Lebendigkeit. Bis heute sind viele seiner Wörter und Redewendungen im deutschen Sprachgebrauch etabliert: Sündenbock, Feuereifer, Rat und Tat, seine Zunge im Zaum halten … Gleichzeitig war Luther der Wortlaut der Bibel so wichtig, dass er bei der Übersetzung mit größter Genauigkeit arbeitete und zum Teil wochenlang nach dem Wort suchte, das dem hebräischen oder griechischen Original am nächsten kommt.
So war es also geschehen, dass der Buchdruck Luthers Traum hatte wahr werden lassen: Jeder konnte die Bibel in der Volkssprache lesen und verstehen. Dies führte zu einer geistlichen Erneuerung und legte letztlich den Grundstein für die Reformation.
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