Nachlassende Sehkraft im Alter – das Interview mit Optikermeister Tobias Wende

Was tun, wenn die Sehkraft im Alter nachlässt? Im Interview beantwortet der erfahrene Optiker Tobias Wende, wie möglichst viel Lebensqualität erhalten werden kann, wenn die Sehfähigkeit nachlässt.
Sekraft im Alter; Eine ältere Frau trägt eine Brille


Ein klarer Blick auf die Welt ist für viele Menschen selbstverständlich. Doch mit zunehmendem Alter kann die Sehkraft nachlassen, weil Erkrankungen, wie z. B. der graue Star, das Sehvermögen beeinträchtigen können.

Doch wie geht man am besten damit um? Was können ältere Menschen selbst tun und wie können Augenarzt und Optiker helfen, das Sehvermögen soweit wie möglich zu erhalten?

Diese Fragen haben wir Tobias Wende gestellt, einem erfahrenen Optiker aus Siegen. In diesem Interview gibt er wertvolle Einblicke in typische Alterserscheinungen des Auges. Er erklärt, wie er als Augenoptiker vorgeht, wenn ältere Menschen über nachlassende Sehkraft klagen und erläutert die verschiedenen Hilfsmittel und Lösungen, die er seinen Kunden anbieten kann.

Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, um von Ihrer Arbeit als Optiker zu berichten. Was sind die häufigsten Ursachen, wenn die Sehkraft im Alter nachlässt?

Danke für die Einladung. Es ist mir eine Freude über dieses wichtige Thema zu sprechen.

Im Alter ist häufig der graue Star, auch bekannt als Katarakt, Ursache des Problems. Beim grauen Star tritt eine Trübung der Linse auf. Dies bringt dann verschiedene Symptome mit sich. Zum einen kann sich die Sehkraft viel schneller verschlechtern, als man es bisher gewohnt war. Verschwommenes Sehen, eine veränderte Wahrnehmung von Farben und eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber blendendem Licht können ebenfalls auftreten.

blendende Sonne bei nachlassender Sehkraft im Alter. Blogbild vom Seniorenmagazin Lebenplus


Behandeln kann man den grauen Star durch eine kleine Operation, die in der Regel nur 10 bis 15 Minuten dauert. Dabei wird die getrübte Linse durch eine neue, künstliche Linse ersetzt. Dieser Eingriff wird bei etwa 50 bis 60 Prozent der älteren Menschen durchgeführt.

Viele Menschen scheuen sich allerdings davor, den Eingriff durchführen zu lassen. Das Auge ist ein sensibler Bereich des Menschen und viele sagen: „An mein Auge lasse ich niemanden ran.“ Zu lange damit zu warten, ist allerdings auch nicht gut.

Eine zweite, häufige Ursache für nachlassende Sehkraft im Alter ist die sogenannte altersbedingte Makula-Degeneration (AMD). Dabei handelt es sich um eine degenerative Erkrankung, die Einfluss auf die zentrale Sehschärfe hat. Das liegt daran, dass die Makula die Region der Netzhaut umfasst, die maßgeblich für scharfes Sehen verantwortlich ist. Bei der AMD kommt es daher oft zu einem fortschreitenden Verlust der Sehkraft. Das Farbensehen und die Fähigkeit, Kontraste wahrzunehmen, sind ebenfalls beeinträchtigt.

Der Makula-Degeneration kann man durch die Einnahme des Nahrungsergänzungsmittels Lutein vorbeugen.

Wie gehen Sie als Optiker vor, wenn ältere Menschen über nachlassende Sehkraft klagen?

Bei jedem Kunden, der zu uns kommt, führen wir immer zuerst eine gründliche Augenprüfung durch. So auch bei älteren Menschen, die über nachlassende Sehkraft klagen. Daraus können sich bereits Anhaltspunkte für verschiedene Erkrankungen ergeben. Der graue Star und die altersbedingte Makula-Degeneration sind die beiden häufigsten Ursachen. Selbstverständlich kommen aber auch noch andere Erkrankungen infrage. Es würde hier aber zu weit führen, diese genauer zu erklären.

Optikerin prüft die Sehkraft im Alter bei einer Seniorin.

Als Optiker darf ich ohnehin keine Diagnose stellen. Den Verdacht aber kann ich schon äußern und die Empfehlung aussprechen, sich bei einem Augenarzt vorzustellen.

Darüber hinaus gibt es aber einen einfachen Test, den jeder selbst machen kann: den Amsler-Gitter-Test. Dabei fixiert man das Zentrum und beobachtet, ob sich die Linien verbiegen. Dieser Test wird grundsätzlich immer nur mit einem Auge durchgeführt. Das andere sollte man dabei also zuhalten.
Dieser Test kann auf Störungen der zentralen Sehschärfe hinweisen. Daher ist es wichtig, regelmäßige Augenuntersuchungen durchzuführen, um frühzeitig mögliche Probleme zu erkennen.

Amsler-Gitter-Test: Sehkraft im Alter testen

Was können Sie Ihren Kunden nach der Augenprüfung anbieten, wenn es nicht die Diagnose von Erkrankungen ist?

Meine Aufgabe als Optiker ist, individuelle Hilfsmittel anzubieten, durch die sich die nachlassende Sehkraft bestmöglich kompensieren lässt. Nach der Augenprüfung bestimmen wir demnach die benötigte Glasstärke.

Bei älteren Menschen ist oft die Herausforderung, dass viele erwarten, einfach nur eine neue Brille zu bekommen. So sind sie es schließlich seit Jahrzehnten gewohnt. Doch in einigen Fällen kann diese Erwartung nicht mehr erfüllt werden, wenn die Sehkraft mittlerweile zu stark eingeschränkt ist.

Es ist wichtig zu wissen, dass es eine Vielzahl weiterer Hilfsmittel gibt, die den Betroffenen helfen können. Dazu gehören vergrößernde Seehilfen wie Lupen oder elektronische Lesegeräte, die den Kontrast verstärken können.

Eine Lupe hilft bei nachlassender Sehkraft im Alter

Diese Hilfsmittel können das Lesen von Texten oder das Erkennen von Details erleichtern. Allerdings fällt es manchen Menschen schwer anzunehmen, dass sie solche Hilfsmittel nun benötigen. Gerade Männer schieben oft den Bedarf vor sich her. Es erfordert eine gewisse Akzeptanz und Offenheit, sich auf solche Hilfsmittel einzulassen.

Wie gehen Senioren Ihrer Erfahrung nach mit diesen Veränderungen um?

Die meisten Senioren lassen sich letztendlich helfen und nehmen die Tatsache an, dass eine Heilung nicht mehr möglich ist. Sie erkennen, dass der Einsatz von Hilfsmitteln ihnen eine verbesserte Sehkraft und somit eine höhere Lebensqualität ermöglichen kann.

Natürlich gibt es auch Menschen, die sich schwer damit tun und anfangs widerwillig sind. Viele ältere Menschen sagen dann: „Das ist jetzt eh meine letzte Brille“, und möchten keine weiteren Investitionen mehr tätigen. Hier ist es wichtig, ihnen zu vermitteln, dass der Einsatz solcher Hilfsmittel ihre Lebensqualität verbessern kann und es sich lohnt, in die eigene Sehkraft zu investieren. Viele lassen sich dann auch überzeugen, es sich selbst wert zu sein und sind hinterher dankbar, die notwendig gewordene Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Senioren genießen ihr Leben. Blogbild vom Seniorenmagazin LebenPlus

Worauf können Betroffene selbst im Umgang mit nachlassender Sehkraft achten?

Der Umgang mit nachlassender Sehkraft im Alter ist eine individuelle Herausforderung. Jeder Mensch reagiert anders darauf und hat unterschiedliche Bedürfnisse.

Mein erster Ratschlag wäre aber in jedem Fall, nicht zu lange zu warten. Lassen Sie sich rechtzeitig professionell beraten. Je früher man etwas unternimmt, desto mehr kann man von einer verbesserten Sehkraft und einer gesteigerten Lebensqualität profitieren.

Es gibt definitiv ein „Zuspät“, insbesondere wenn jemand sich immer nur vorlesen lässt und dadurch irgendwann das Lesen verlernt. Diese Fähigkeit kommt in der Regel nicht wieder, auch dann nicht, wenn die Betroffenen doch noch ein adäquates Hilfsmittel bekommen haben.

Es ist wichtig, offen für Neues zu sein und sich bewusst zu machen, dass die Annahme von Hilfsmitteln nicht der Anfang vom Ende ist. Solche Hilfen sind eine Möglichkeit, sich selbst etwas Gutes zu tun.

Darüber hinaus ist es wichtig, dass ältere Menschen Unterstützung und Verständnis in ihrem Umfeld finden, sei es von ihren Familienmitgliedern, Freunden oder auch medizinischen Fachkräften wie Optikern. Durch eine offene und einfühlsame Kommunikation können Lösungen gefunden werden, um die Lebensqualität älterer Menschen trotz Sehbeeinträchtigungen zu verbessern.

ältere Menschen können trotz nachlassender Sehkraft im Alter ihr Leben genießen.

Dabei hilft es dem Umfeld enorm, wenn die Betroffenen von sich aus berichten, welche Probleme sie im Alltag mit der nachlassenden Sehkraft haben. Angehörige können nur Verständnis zeigen, wenn sie nachvollziehen können, was das Problem ist. Ansonsten kann es nämlich schnell zu Missverständnissen kommen.

Zum Beispiel, wenn man zwar die Fliege an der Wand sehen, aber keinen Text lesen kann. Das ist gerade bei der Makula-Degeneration oft der Fall. Viele lernen sozusagen, an den betroffenen Stellen der Netzhaut „vorbeizuschauen“, um überhaupt noch etwas erkennen zu können. Das kann je nach Abstand dessen, was man anschaut, leichter- oder schwererfallen.

Was begeistert und motiviert Sie an Ihrer Arbeit?

Das Auge an sich ist ein faszinierendes und erstaunliches Wunderwerk. Die Netzhaut ist ja die einzige Gefäßhaut, die man sich anschauen kann. Das Auge kann also nicht nur sehen, sondern uns auch wichtige Hinweise zum Gesundheitszustand geben. Augenuntersuchungen können z. B. dabei helfen, Blutdruckerkrankungen wie Bluthochdruck zu erkennen.

Ich interessiere mich sehr für die Forschung. Es gibt Organisationen wie ProRetina, die sich intensiv mit der Erforschung und Unterstützung von Menschen mit Sehproblemen befassen. Ich finde es ermutigend zu sehen, wie dort kontinuierlich neue Erkenntnisse gewonnen werden und dass es ein großes Interesse an diesem Thema gibt.

Und es motiviert mich zu erleben, wie schon kleine Hilfsmittel eine große Erleichterung für ältere Menschen sein können. Es freut mich jedes Mal, wenn ich durch meine Arbeit selbst dazu beitragen kann.

 

Dieser Beitrag wurde im September 2023 veröffentlicht.

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Tobias Wende

Tobias Wende

Interviewpartner dieses Artikels und Optikermeister aus Siegen