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Wie beginnt man angemessen einen Artikel über ein Thema, bei dem Worte oft unangebracht sind?
Wenn sich im Bekanntenkreis oder im näheren Umfeld ein Todesfall ereignet, fällt es oft schwer, passende Worte zu finden. Meist ist es besser zu schweigen, als versehentlich verletzende Worte auszusprechen.
Beim Verfassen von Trauerkarten können Zitate helfen, dieses Problem zu lösen – zumindest demjenigen, der die Karte schreibt. Wer jedoch selbst von Trauer betroffen ist, findet in aufmunternden Sprüchen und vermeintlich klugen Zitaten oft nur wenig Trost.
Wie gern würde ich Ihnen in diesem Blogartikel eine Anleitung an die Hand geben, wie man den Schmerz der Trauer garantiert innerhalb kürzester Zeit überwinden kann.
Doch so einfach ist das leider nicht.
Es gibt kein Patentrezept, das Trauer möglichst schnell beenden könnte. Und das ist gut so. Denn der Trauerprozess ist unerlässlich, um den erlittenen Verlust zu realisieren und zu verarbeiten.
Wenn ein geliebter Mensch stirbt, vermissen wir ihn. Wir trauern, weil er uns fehlt. Dieser Prozess braucht Zeit.
Trauer ist ein Ausnahmezustand, der an die Grenzen der eigenen Kräfte gehen kann. Der Trauerprozess folgt keinen festen Regeln. Jeder Mensch erlebt ihn individuell anders. Die Aufgabe besteht also darin herauszufinden, was Ihnen ganz persönlich dabei hilft.
In diesem Blogartikel stelle ich Ihnen 18 Wege vor, Ihren eigenen Trauerprozess zu gestalten. Oft sind es nur kleine Aktivitäten, deren Umsetzung nicht viel Aufwand bedeuten. Diese können Sie aber möglicherweise gerade deshalb darin unterstützen, einen nächsten Schritt zu gehen.
Lassen Sie sich von dieser Liste nicht unter Druck setzen, alles auf einmal umsetzen zu wollen. Beginnen Sie mit der Aktivität, die Sie als Erstes anspricht und die Sie am leichtesten umsetzen können.
Schreiben Sie auf, was offengeblieben ist
Der Tod kommt immer unerwartet – egal ob man sich schon wochenlang darauf einstellen konnte oder der Abschied plötzlich kommt. Er überrascht uns.
„Nichts ist gewisser als der Tod, nichts ist ungewisser als seine Stunde.“ Anselm von Canterbury
Mein Großvater starb im Jahr 2012. Da er schwer krank war, war abzusehen, dass er nicht mehr lange leben würde. Als es dann aber tatsächlich soweit war, riss uns sein Tod dennoch aus unserem Alltag.
Wie das Leben ohne einen geliebten Menschen ist, wird einem erst dann wirklich klar, wenn diese Person nicht mehr da ist. Deshalb kann man sich nicht wirklich darauf vorbereiten. Es gibt keine Präventionskurse, die den Trauerprozess unnötig machen oder abkürzen könnten.
Und selbst wenn man schon Erfahrungen mit dem Tod von Angehörigen oder Freunden gemacht hat, ist jeder Abschied anders.
Gefühlt kommt der Tod fast immer zu früh. Wie gern hätte man wenigstens noch ein bisschen Zeit zusammen gehabt. Nur noch ein paar Stunden, Tage, Wochen …
Orientieren Sie sich an nachprüfbaren Ereignissen
In den ersten Tagen und Wochen ist der Verlust noch völlig unwirklich. Der endgültige Abschied ist zunächst so unbegreiflich, dass Gedanken wie „Gleich kommt er nach Hause“ oder „Nachher erzähl ich ihm von dem Gespräch von heute Morgen“ völlig normal sind.
Man sehnt sich danach, dass alles nur ein furchtbar schlechter Traum ist. Am Anfang sind solche Gedanken ein Schutz. Sich in eine Fantasiewelt zu flüchten, in der alles noch gut ist, hilft vorerst. Die Realität würde noch überfordern.
In den ersten Tagen und Wochen wollen und können die meisten Hinterbliebenen den Tod des geliebten Menschen nicht wahrhaben. Vielleicht war es nur eine Verwechslung? Vielleicht haben sich die Ärzte geirrt? Vielleicht saß doch ein anderer im Auto?
„Der Tod ist gewissermaßen eine Unmöglichkeit, die plötzlich zur Wirklichkeit wird.“ Johann Wolfgang von Goethe
Deshalb ist es enorm wichtig, äußere Umstände und objektiv nachprüfbare Ereignisse als Hilfen zu haben. Das kann zum Beispiel das bewusste Abschiednehmen im Krankenhaus sein oder die Teilnahme an der Trauerfeier. Die Erinnerung daran hilft, sich nach und nach auf die Realität einzulassen, auch wenn der Schmerz über den Verlust tief sitzt.
Sammeln Sie Erinnerungen an schöne Zeiten
Für alle anderen Menschen scheint das Leben ganz normal weiterzugehen. Die Vögel zwitschern. Die Sonne geht auf und unter. Das Telefon klingelt und der Briefträger bringt die Post.
Doch für Sie ist nichts mehr, wie es einmal war. Eine Tatsache, die oft in den kleinen Dingen des Alltags so richtig bewusst wird.
„Vor wenigen Tagen haben wir noch miteinander telefoniert … und jetzt soll kein Gespräch mehr möglich sein?“ Plötzlich fehlt der Ansprechpartner, das vertraute Gegenüber.
Egal ob der Verstorbene der engste Vertraute war oder ein anderer lieber Mensch – der Tod wirft alles durcheinander. Auf einmal gibt es kein gemeinsames Morgen mehr, kein „Darüber reden wir nochmal“ oder „lch freu mich schon so darauf!“.
Vielleicht sind sie wochenlang jeden Tag in die Klinik gefahren. Nun ist es nicht mehr notwendig.
Es ist, als ob der Trauerprozess einen Schleier über Ihr Gesicht legen würde, der alles verdunkelt. Im Moment scheint noch völlig offen, ob es je wieder heller wird, wenigstens ein bisschen.
Sie befinden sich in einem Ausnahmezustand, aus dem Sie nur herausfinden, wenn das, was jetzt anders ist, Stück für Stück normal wird. Dies gilt es Schritt für Schritt einzuüben. Doch dieser Prozess braucht Zeit.
Trauern Sie auf Ihre Art
Die Psychologie beschreibt den Trauerprozess anhand von Phasen, die Trauernde durchleben. Am Anfang steht das Nicht-wahrhaben-wollen, der erste Schock. Es folgt die Phase der intensiven Emotionen. Danach bekommt man langsam wieder Boden unter die Füße und alles ist wieder gut.
Diese Trauerphasen sind letztlich nur Theorie. Die Praxis sieht oft anders aus und das ist völlig in Ordnung.
Diese Phasen helfen Psychologen und Pädagogen im professionellen Kontext, Trauer einzuordnen und Betroffene angemessen zu begleiten. Ihr persönlicher Trauerprozess muss nicht exakt nach diesen Phasen ablaufen. Lassen Sie sich davon nicht unter Druck setzen.
Zur Trauer kann alles gehören: große Verzweiflung und dankbare Erinnerung. Nicht-wahrhaben-wollen und bewusstes Aufarbeiten. Körperliche Beschwerden und fröhliches Lachen. Leider lässt sich nicht vorhersagen, wann was kommt. Das kann sich von einem Moment auf den anderen komplett verändern. Auch nach Jahren kann plötzlich die Trauer wieder hervorbrechen, vielleicht ausgelöst durch eine besondere Erinnerung.
Vor allem in der Anfangszeit der Trauer ist es die größte Herausforderung eines Trauernden, im Heute zu leben. Jeder Tag ist anders. Jeder Tag bringt seine eigenen Abgründe und seine schönen Seiten mit sich. Auch wenn das Schöne sicher den eher kleineren Teil ausmacht.
Es gibt kein Richtig oder Falsch.
Jeder Mensch trauert anders. Erlauben Sie sich, so zu trauern, wie es Ihnen guttut.
Achten Sie auf Ihr Wohlergehen
Der Trauerprozess verlangt Ihnen einiges ab, sowohl seelisch als auch körperlich.
Viele Menschen machen im Trauerprozess die Erfahrung, dass ihr Erinnerungsvermögen vorübergehend nachlässt. Der Körper leidet mit unter der Trauer.
Viele Trauernde schlafen zudem schlecht. Das hat mit den unzähligen Gedanken zu tun, die um den Verstorbenen und das Unfassbare kreisen. Da ist es kein Wunder, dass man am Tag wenig Kraft hat und die Konzentrationsfähigkeit spürbar nachlässt.
Weitere körperliche Auswirkungen der Trauer können zum Beispiel Weinattacken, Rückenschmerzen, Magenbeschwerden und Appetitverlust sein. Auch Kopfschmerzen sind verbreitet.
Versuchen Sie, tagsüber öfter eine Pause zu machen und fragen Sie Ihren Arzt, was Sie tun können, wenn Sie durch die Trauer unter körperlichen Beschwerden leiden.
Lassen Sie Wut und Enttäuschung zu
Manchmal ist alles nur traurig und man könnte dauernd weinen. Depressiv, zurückgezogen, nah am Wasser gebaut: So stellt man sich Trauernde vor.
Doch Wut gehört bei vielen Menschen zum Trauerprozess genauso dazu. Zum Beispiel kann man auf den Verstorbenen wütend sein: „Warum musstest du auch unbedingt diese Straße entlangfahren?“ oder: „Du hast es jetzt gut! Jetzt muss ich mich ganz allein um alles kümmern!“ Oder man empfindet Wut gegenüber Ärzten und dem medizinischen Personal: „Warum konnten sie nicht helfen?“ Oder man ist zornig auf Gott: „Warum hat er nicht eingegriffen?!“
„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ich schreie, aber keine Rettung ist in Sicht, ich rufe, aber jede Hilfe ist weit entfernt!“ Psalm 22,2
Gefühle zuzulassen, ist gar nicht so einfach. Vor allem, wenn es sogenannte negative Gefühle sind. Selbst Menschen, die an Gott glauben, tun sich auch ihm gegenüber manchmal schwer damit.
In der Bibel gibt es vor allem in den Psalmen viele Texte, in denen Menschen sich trauen, mutig zu klagen. Sie bringen Gott ihren Schmerz und ihre Verzweiflung. Und das Gute ist: Gott hält das aus! Es ist ihm lieber, wir wenden uns in unserem Schmerz ihm zu und werfen ihm unsere Fragen an den Kopf, als dass wir uns enttäuscht von ihm abwenden.
Natürlich macht Wut das Leid nicht ungeschehen. Enttäuschung und Zorn sind jedoch auch eine Art, mit der Trauer umzugehen. Unterdrücken Sie diese Gefühle nicht. Sie stauen sich sonst auf und machen im schlimmsten Fall krank. Lassen Sie Ihre Gefühle zu, auch wenn das in unserer Gesellschaft nicht unbedingt üblich ist. Es geht schließlich nicht darum, andere Personen oder Dinge zu zerstören, sondern vor allem darum, sich Luft zu verschaffen und die Emotionen nicht in sich hineinzufressen.
Lassen Sie sich helfen
Jeder trauert auf seine eigene Weise und in seinem eigenen Tempo. Und den Trauerprozess kann man auch nicht an andere Menschen abgeben. Doch manchmal ist es wertvoll, dabei unterstützt zu werden. Hilfe von anderen in Anspruch zu nehmen, ist oft ungewohnt und fällt vielen Menschen nicht leicht. Dennoch sind Menschen im Umfeld dankbar, wenn sie etwas für den Trauenden tun können. Sie fühlen sich nicht mehr ganz so hilflos.
Andere Menschen können den Schmerz der Trauer zwar nicht wegnehmen, aber sie können helfen, ihn mitzutragen. Das geschieht in erster Linie durch echte Anteilnahme. Es kann aber auch in Form von Unterstützung in ganz praktischen Dingen geschehen, wie zum Beispiel Wäsche waschen, bügeln oder kochen.
Vielleicht können Sie diese Aufgaben normalerweise noch gut allein bewältigen. Trotzdem kann es in der Zeit der Trauer entlasten, diese zu delegieren. Manchen Menschen tut darüber hinaus professionelle Unterstützung in der Zeit der Trauer gut, zum Beispiel durch einen Psychologen, Seelsorger oder Psychotherapeuten.
Nehmen Sie nur die Hilfe an, die Ihnen guttut
„Takt ist die Fähigkeit, einem anderen auf die Beine zu helfen, ohne ihm dabei auf die Zehen zu treten.“ Curt Goetz
Viele Menschen sind im Umgang mit Trauernden unbeholfen und ratlos. Oft fallen dann Sätze, die zwar gut gemeint, aber meist wenig hilfreich sind.
Der Satz „Das Leben geht weiter“ etwa soll trösten und ermutigen, ihn zu leben ist aber leichter gesagt als getan.
Natürlich geht das Leben weiter, aber eben völlig anders als vorher. Und was noch viel herausfordernder ist: Der Tod ist nach wie vor präsent.
Was meine ich damit?
Der Verstorbene wird nicht plötzlich wieder lebendig und alles ist gut. Nein, Sie müssen sich damit arrangieren, dass es in diesem Leben kein Wiedersehen mehr geben wird. Die verstorbene Person wird morgen auch noch tot sein.
Je mehr der Verstorbene Ihren Alltag geprägt hat, desto mehr wird sich Ihr Leben nun ändern. Dies ist besonders der Fall, wenn es Ihr Partner ist, der plötzlich nicht mehr da ist.
Das Aufstehen, der Tagesablauf, das Zubettgehen, die Freizeitgestaltung, der Urlaub, der Alltag und das Wochenende – alles wird anders sein. Dies Stück für Stück auszuhalten, bedeutet im Grunde, neu leben zu lernen. Zu der Trauer und zu dem Schmerz kommt hinzu, das Leben neu zu gestalten und zu sortieren.
So heilt die Zeit eben nicht alle Wunden. Auch dieser Satz ist im Trauerprozess wenig hilfreich. Zeit ist beim Abschiednehmen aber dennoch ein wichtiger Faktor. Jeder überstandene Tag ist ein Erfolg, der langsam den Weg zu einer neuen Normalität ebnet.
Lassen Sie sich von niemandem vorschreiben, wie es Ihnen heute gehen sollte.
Suchen Sie Kontakt zu einer Trauergruppe
„Sieben Tage und sieben Nächte saßen sie da, ohne ein Wort zu sagen, denn sie spürten, wie tief Hiobs Schmerz war.“ aus Hiob 2,13
Die wertvollsten Freunde sind oft die, mit denen man gemeinsam schweigen kann. So auch die Freunde von Hiob, von denen im gleichnamigen Buch in der Bibel die Rede ist. In den ersten sieben Tagen waren sie wirklich hilfreich für Hiob. Sie saßen mit ihm im Dreck und trauerten mit. Vor lauter Kummer sagte niemand etwas. Die Probleme begannen erst, als sie versuchten, Erklärungen zu finden, warum es Hiob so schlecht ging.
In Ronja Räubertochter von Astrid Lindgren lesen wir an einer Stelle: „Lange saßen sie dort und hatten es schwer. Doch sie hatten es gemeinsam schwer und das war ein Trost. Leicht war es trotzdem nicht.“
Das gemeinsame Reden und Schweigen tut gerade mit solchen Menschen gut, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Deshalb kann zum Beispiel eine Trauergruppe sehr hilfreich sein.
Machen Sie sich nicht zu viele Sorgen um morgen
„Seht die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht und ernten nicht, sie sammeln auch nicht in die Scheunen, und euer himmlischer Vater ernährt sie doch.“ aus Matthäus 6,26
Der Tod eines geliebten Menschen und der damit verbundene Trauerprozess können viele Sorgen und Ängste auslösen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Partner verstorben ist. Von offizieller Seite muss vieles organisiert, beantragt und erledigt werden.
Verbunden mit all den Emotionen und inneren Prozessen, die die Trauer mit sich bringt, können diese Aufgaben überfordern.
Priorisieren und ordnen Sie daher, was eilt und welche Erledigungen nicht ganz so dringend sind. Manches davon müssen Sie eventuell auch nicht selbst erledigen. Holen Sie sich Unterstützung aus Ihrem Umfeld und gehen Sie Tag für Tag vor.
Lassen Sie sich Zeit
„Jedes Ereignis, alles auf der Welt, hat seine Zeit: … Weinen und Lachen, Klagen und Tanzen.“ Prediger 3,1.4
Früher war es Tradition, Trauernden ein Trauerjahr zuzugestehen. In dieser Zeit hatten sie Schonfrist. Es war ein gewisser Schutzraum. Die Erwartung war allerdings, dass es nach diesem Jahr wieder gut zu sein hatte.
Eine begrenzte Trauerzeit gibt es heutzutage offiziell nicht mehr und doch erleben viele Trauernde einen gewissen Druck. Das können wenig sensible Bemerkungen von außen sein. Oder gesellschaftliche Erwartungen, die man spürt oder zu spüren meint. Aber auch der eigene Wunsch nach einer Perspektive lässt Trauernde oft selbst fragen, ab wann denn Aussicht auf Besserung besteht. Leider lassen sich da keine sicheren Prognosen abgeben.
Manche sagen sogar, dass die Trauer immer Teil des zukünftigen Lebens sein wird. Allerdings verändert sich die Intensität, wie sie das Leben beeinflusst.
Es gibt also absolut keinen Grund zur Hektik. Setzen Sie sich nicht unter Druck, möglichst schnell wieder „funktionieren“ zu wollen.
Wichtig ist herauszufinden, wieviel Trauerzeit Ihnen selbst guttut. Manche sind nach einem Trauerfall schnell wieder „voll da“. Andere brauchen lange, bis sie wieder einigermaßen in einen Rhythmus gefunden haben. Das ist in Ordnung so.
An manchen Tagen schaffen Sie es vielleicht, kleine Schritte zu gehen. Wunderbar! An anderen Tagen scheint die Zeit stillzustehen und Sie sind nicht in der Lage, irgendetwas Produktives zu leisten. Beides ist in Ordnung.
Das Unbegreifliche zu begreifen, dauert unter Umständen ziemlich lange. So schnell wie möglich wieder zur Tagesordnung überzugehen, ist kein erstrebenswertes oder hilfreiches Ziel. Genauso wenig, wie es hilft, an einer Pflanze zu ziehen, damit sie schneller wächst, kann man den Trauerprozess beschleunigen. Er hat seine eigene Zeit.
Allerdings kann ein bisschen Alltag auch helfen. Finden Sie für sich selbst heraus, wieviel Ihnen persönlich guttut.
Geben Sie der Liebe einen Platz in Ihrer Erinnerung
„Du musst loslassen!“ Das bekommen Trauernde oft gesagt. Dabei ist das weder nötig noch möglich. Wie soll man denn seine Liebe zu einem besonderen Menschen loslassen? „Loslassen“ wird in diesem Zusammenhang oft mit „vergessen“ gleichgesetzt. Dabei ist vergessen das Allerletzte, was ein Trauernder möchte. Dem Trauernden wird meist irgendwann bewusst, dass der Verstorbene nicht wieder zurückkommt. Dieser Gedanke ist schlimm genug. Wie soll man da den Verstorbenen auch noch loslassen oder vergessen können?
Dass der Verstorbene irgendwann in Vergessenheit gerät, gehört mit zu den größten Ängsten von Hinterbliebenen. Die Angst des Umfeldes, den Trauernden durch Erwähnung des Verstorbenen in eine Krise zu stürzen, ist unbegründet. Ihm ist der Verstorbene sowieso ständig präsent. Problematisch ist es eher, wenn er nicht mehr erwähnt wird.
Entscheidend ist, dass sich die Möglichkeit, die Beziehung mit dem Verstorbenen zu pflegen, verändert hat. Waren bisher direkte Gespräche oder Berührungen möglich, geht das nun nicht mehr. Die Liebe und Zuneigung zum anderen ist aber nicht plötzlich weg. Sie braucht neue Wege.
Wenn es keine gemeinsame Zukunft mehr gibt, ist der Verstorbene längst noch nicht vergessen. Aber die Liebe zu ihm braucht einen neuen Platz in Ihrer Erinnerung und der gemeinsamen Vergangenheit. Auch wenn kein gemeinsamer Alltag mehr möglich ist, kann die Liebe trotzdem noch ihren Raum haben. Im Lauf der Zeit wird sich dieser Raum immer wieder verändern. Doch er bleibt Teil Ihres Lebens.
Stellen Sie Gott die Warum-Frage
„Warum bist du so weit weg, Herr? Warum verbirgst du dich vor uns? Wir sind vor Elend am Ende!“ Psalm 10,1
Die Frage nach dem Warum stellt sich vor allem in Situationen, in denen man nicht mit dem Schrecklichen gerechnet hat. „Warum nur dieser Autounfall? Warum dieser Krebs? Warum so jung?“ Oft kommt in diesen Fragen auch das Unverständnis zum Ausdruck, weshalb man selbst von diesem Unglück betroffen ist: „Was habe ich getan, dass ich das verdient habe?“ Eine Frage, die in diesem Zusammenhang sehr häufig gestellt wird, ist: „Gott, wo warst du?“
Es hilft nicht, diese Frage zu verdrängen. Viele gehen zwar davon aus, dass sie auf diese Frage keine Antwort erhalten. Aber sie stellt sich trotzdem.
Auch wenn man die Frage dreht und nach dem Wozu fragt, macht es für den Trauernden keinen Unterschied. Welchen Sinn oder Zweck soll man im Tod eines geliebten Menschen auch erkennen? Vieles bleibt unerklärlich und sinnlos. Damit gilt es fertigzuwerden. Manche Fragen bleiben offen und werden vielleicht nie beantwortet.
In den Psalmen taucht die Frage nach dem Warum immer wieder auf. Offenbar ist Gott der richtige Adressat für diese Frage. Das bedeutet zwar nicht, dass wir auch immer eine Antwort von ihm bekommen. Oftmals ist die sachliche Antwort auf diese Frage ohnehin nicht das, was Menschen im Trauerprozess brauchen. Meistens ist es viel wichtiger, diese Frage überhaupt stellen zu dürfen. Es braucht ein Ventil, um den damit verbundenen Schmerz zum Ausdruck zu bringen.
In den Psalmen finden Menschen immer wieder Trost darin, die Frage nach dem Warum an Gott zu richten. Sie werden getröstet und fassen neuen Mut, weil sie erleben, dass Gott sie nicht allein lässt. So auch im weiteren Verlauf von Psalm 10:
„Du nimmst die Bitten der Armen an, du hörst ihr Rufen, Herr, du machst ihnen Mut.“ Psalm 10,17
Erleben Sie Vergebung
„Wenn wir aber unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit.“
Viele Menschen erleben im Trauerprozess, dass Schuldgefühle aufkommen: „Warum habe ich nicht noch …?“, „Hätte ich doch nur …!“. Sie sind wie Widerhaken, die immer wieder schmerzhaft stechen und nicht verheilen wollen.
Wenn man im Vorfeld wüsste, was kommt, könnte man sich darauf vorbereiten. Dann hätte man sich nach dem Streit noch versöhnt und wäre nicht wortlos auseinandergegangen. Man hätte mehr Zeit miteinander verbracht. Besser einander zugehört und öfter gesagt, wie sehr man einander liebt. Gern würde man die Uhr noch einmal zurückdrehen und es besser machen. Es hilft aber nichts. Es ist gibt ein Zuspät. Und das ist unerträglich.
Um nicht an Schuld zu zerbrechen, braucht es Vergebung. Zunächst einmal für sich selbst. Trauernde machen sich oft viele Vorwürfe. Dabei ist erst einmal nicht wichtig, inwieweit sie gerechtfertigt sind. Das Versäumnis ist schmerzhaft und real.
In seinem Sohn Jesus Christus bietet Gott uns Menschen Vergebung an – auch Ihnen. Sie dürfen sie im Gebet für sich in Anspruch nehmen. Auch dann, wenn sich die Situation selbst nicht mehr ändern lässt. Er möchte Sie von Ihrer Schuld befreien und die belastenden Schuldgefühle nehmen.
Vergebung ist ebenso im Umgang mit anderen entscheidend. Da fällt ein unbedachtes Wort zur falschen Zeit. Da kommt ein unsensibler Spruch, dort reagiert jemand nicht angemessen. Da helfen nur Barmherzigkeit und Nachsicht. Die Alternative dazu wäre Verbitterung und schließlich Einsamkeit. Doch wer vergibt, lässt los und wird dadurch auch selbst wieder freier.
Lassen Sie neue Perspektiven zu
Zu Beginn der Trauer ist der eigene Blick oft völlig vernebelt. Man kann an nichts anderes mehr denken und sich nicht vorstellen, jemals wieder nach vorn schauen zu können.
Doch hören die Schmerzen und das Leid irgendwann auf? Gibt es irgendwann wieder einen Hoffnungsschimmer? Höchstwahrscheinlich ja, auch wenn es dauern kann. Irgendwann lichtet sich der Nebel. Das Leben wird sich wieder ändern und die Sonne wird auch für Sie wieder scheinen.
Trauer hat zwar manchmal ähnliche Symptome wie eine Depression, ist aber etwas ganz anderes. Traurig zu sein hat nichts mit krank sein zu tun.
Am Anfang ist alles noch unfassbar. Im Laufe der Zeit lernt man aber, den Verlust zu akzeptieren und sich dem Schmerz zu stellen. Allmählich kommt ein bisschen Kraft zurück. Dann kann man beginnen, sein Leben neu zu gestalten.
Wer schwere Zeiten durchgestanden hat, weiß das Leben mit all seinen Schönheiten ganz neu zu schätzen. Vieles, was früher selbstverständlich war, ist nun etwas Besonderes. Gute Freundschaften und Beziehungen bekommen einen höheren Stellenwert. Der Augenblick – das Hier und Jetzt – wird wichtiger.
Irgendwann traut man sich auch wieder, Pläne zu schmieden oder Neues in Angriff zu nehmen. Langsam hat man wieder Energie, ein neues Hobby auszuprobieren, Haus oder Garten umzugestalten, in alte oder neue Beziehungen zu investieren und eine Reise zu planen.
Voraussetzung für diese Neuanfänge ist in der Regel, dass der Verstorbene seinen neuen festen Platz in Ihrem Leben erhalten hat. Dann ist das Licht, das Sie im Tunnel sehen, nicht der nächste Zug, der Ihnen entgegenkommt, sondern wirklich das Ende der Dunkelheit.
Ein wesentlicher Schlüssel für neue Perspektiven ist die Dankbarkeit. Die gemeinsam verbrachte Zeit wird immer mehr zum Schatz, den nichts und niemand wegnehmen kann.
Dieser Schatz wird auch sichtbar durch Bilder und Erinnerungsgegenstände. Schön kann es auch sein, sich mit anderen über den Verstorbenen zu unterhalten. Auch die geteilten Erinnerungen nähren die Dankbarkeit und verhelfen zu neuen Perspektiven.
Gehen Sie neue Wege
An Krisen kann man verzweifeln oder stärker werden. Wer den Verlust eines lieben Menschen überlebt hat, hat viel Energie investiert. Hoffentlich aber auch neue Kraft bekommen.
Schritt für Schritt geht es im Trauerprozess darum, wieder Verantwortung zu übernehmen und die Zukunft aktiver zu gestalten. Ohne dabei die Vergangenheit zu verleugnen oder idealisierend schönzureden.
Im Trauerprozess besteht eine Herausforderung darin, die Tage neu zu gestalten. Weil sich das Leben so grundlegend verändert hat, werden Tage ab jetzt ganz anders ablaufen. Es braucht Zeit, sich daran zu gewöhnen und neue gute Routinen zu entwickeln. Werte und Prioritäten haben sich verschoben, Interessen haben sich verlagert.
Manche Beziehungen sind in die Brüche gegangen, neue haben begonnen. Auch damit zurechtzukommen, gehört dazu.
Im Laufe des Prozesses werden Sie vielleicht feststellen, dass die Veränderung auch positive Seiten mit sich bringt. Möglicherweise haben Sie jetzt Zeit für Dinge, die sie vorher nicht hatten. So gibt es neue Kostbarkeiten zu entdecken, die Ihr Leben reich und lebenswert machen können.
Nehmen Sie Gedanken über ihre eigene Vergänglichkeit ernst
Wer einmal einen geliebten Menschen verloren hat, ist sich der Begrenztheit des menschlichen Lebens schmerzlich bewusst. Selbst der größte Besitz verhindert nicht, dass man eines Tages sterben muss.
Das bedeutet zwar nicht, dass man leben muss, als ob jeder Tag der letzte wäre. Aber auch nicht, als ob das Leben unendlich weiterginge.
Investieren Sie zum einen in Beziehungen zu Menschen, die Ihnen wichtig sind. Freuen Sie sich an dem, was Sie heute erlebt und erreicht haben. Regeln Sie aber auch die eigenen Angelegenheiten, die noch nicht geklärt sind, sobald Sie die Kraft dazu haben.
Lassen Sie grundsätzliche Gedanken zu
Zu allem Schmerz und aller Trauer kommt oft noch eine andere Herausforderung dazu: Im Trauerprozess verändern Sie sich selbst.
Trauern ist eine Ausnahmesituation. Möglicherweise verhalten Sie sich daher vollkommen anders, als Sie es von sich gewöhnt sind. Plötzlich kennen Sie sich selbst nicht mehr.
Musik, die Ihnen jahrelang wichtig war, können Sie auf einmal nicht mehr hören. Das Tagesgeschehen, das Sie immer aufmerksam verfolgt haben, wird völlig unwichtig.
Oft ändern sich auch Werte oder Prioritäten. Materielle Dinge verlieren ihren Reiz; vielleicht deshalb, weil Sie im Trauerprozess merken, dass man den Tod nicht mit Geld vertreiben kann. Die Redensart „Das letzte Hemd hat keine Taschen“ ist erlebbar geworden.
Der Trauerprozess wirft so manche grundlegende Frage auf: Wer bin ich? Was ist mir wichtig? Welche Konsequenzen ziehe ich aus dem Verlust? Ist für mich selbst ein Neuanfang möglich?
Dieser Beitrag wurde im Juli 2023 veröffentlicht.
Zur Vertiefung empfehlen wir:
Stefan Bitzer: Trauer durchleben. Erschienen bei http://www.down-to-earth.de
„Trauer durchleben. Was Trauernden helfen kann“
Dieser Blogartikel ist mit freundlicher Genehmigung in Teilen daraus entnommen.
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